Wolfgang
Mayer ist seit einem Motorradunfall in den 80er-Jahren querschnittsgelähmt.
Trotzdem wurde er Leistungssportler und spielte zehn Jahre für die deutsche
Nationalmannschaft im Rollstuhlrugby – bis ihn ein Schlaganfall zwang aufzuhören
und wieder von vorne anzufangen. Wolfgang ist jemand, den man wohl als
„Stehaufmännchen“ bezeichnen kann.
Zweimal
forderte das Schicksal von ihm einen Neubeginn. Mit 23 Jahren zog er sich bei
einem Motorradunfall einen Wirbelsäulenquerschnitt zu. „Ich kann mich nicht
mehr so gut erinnern, es ist schon so viele Jahre her. Aber klar war es damals
ein Schock. Erschwerend kam hinzu, dass sich meine Hüfte versteift hatte und
deshalb noch weitere Operationen notwendig wurden. Trotzdem gewöhnte ich mich
schnell an den Rollstuhl. Es bleibt auch nichts anderes übrig, als die
Situation zu akzeptieren.“
Nicht nur
seine große Leidenschaft, das Motorradfahren, musste Wolfgang aufgeben. „Bei
der Bundeswehr hatte ich mit dem Laufen begonnen. Während ich vor dem Unfall
jeden Tag im Wald joggen ging, war auch damit Schluss.“ Auch beruflich musste
sich der heute 51-jährige Wolfgangneu orientieren. Vor dem Unfall war er
Maschinenschlosser gewesen; danach machte er eine Umschulung zum Technischen
Zeichner.
300 Kilometer zum Mannschaftstraining
„Manchmal
war ich monatelang in der Klinik“, erinnert sich Wolfgang. „Da kann sich die
Zeit schon in die Länge ziehen.“ Abwechslung versprach jedoch das Sportangebot
der Klinik. „Bei einem Reha-Aufenthalt 1996 lernte ich zum ersten Mal
Rollstuhlrugby kennen. Vorher hatte ich mit Sport, außer dem Laufen, fast
überhaupt nichts am Hut, aber die Schnelligkeit des Rollstuhlrugby und die
Möglichkeit, Abwechslung und Balance zu meinem Handicap zu schaffen,
faszinierte mich.“
Wieder zu
Hause hatte er das Rugby trotzdem schon fast wieder vergessen. In der Nähe
seines Wohnortes Speinshart in der Oberpfalz gab es ohnehin keinen Verein. Dann
aber bekam Wolfgang das Angebot, jeweils am Wochenende bei den Ulmer Donauhaien
mitzuspielen. Mit einem Freund aus Herrieden, den er im Krankenhaus kennen
gelernt hatte, machte er sich nun jedes zweite oder dritte Wochenende auf den
Weg zum Training im beinahe 300 Kilometer entfernten Ulm: „Während der
Meisterschaftsphasen absolvierten wir vormittags meistens mehrere Stunden
individuelle Übungen und Krafttraining, nachmittags widmeten wir uns
verschiedenen Spielsituationen und unserer Kondition“, erzählt Wolfgang.
Auch
unabhängig vom Mannschaftstraining am Wochenende trainierte Wolfgang viel und
machte rasche Fortschritte. Der Lohn war schon bald die Berufung in die
deutsche Nationalmannschaft.
Mit der Nationalmannschaft um die Welt
Mit der
Nationalmannschaft erkundete Wolfgang Länder, die er ohne den Sport
wahrscheinlich nie gesehen hätte. „Ich habe unglaublich viel erlebt“, sagt er.
Turniere führten ihn mit der Nationalmannschaft nach Kanada, Amerika, China,
Australien, Singapur, Griechenland und auch in viele weitere europäische
Länder. An insgesamt drei Paralympischen Spielen nahm Wolfgang teil: 2000 in
Sydney, 2004 in Athen und 2008 in Peking. Bei den Weltmeisterschaften in
Neuseeland und Schweden gehörte Wolfgang zum Kader. Auch nach Tschechien
verschlug es ihn dank des Sports regelmäßig: Einmal jährlich besuchte Wolfgang
mit seinem Team die Rugbymania im mittelböhmischen Nymburk.
Auf seinen
Reisen durfte Wolfgang nicht nur sportliche Erfahrungen machen. Begeistert
berichtet er von Schnorcheln in einer Australischen Bucht, von Empfängen in
luxuriösen Hotels oder von Ausflügen zur Chinesischen Mauer und anderen
berühmten Sehenswürdigkeiten. „Ohne den Sport hätte ich nie die Chance
bekommen, solche Erlebnisse zu machen.“
„Der Schlaganfall war schlimmer als der Querschnitt“
Gerade als
Wolfgang plante, seine Karriere als Leistungssportler im früher oder später an
den Nagel zu hängen, erlitt er bei einer Routine-OP im Jahr 2009 einen
Schlaganfall: „Der Schlaganfall war schlimmer als der Querschnitt damals, ich
musste wieder ganz von vorne anfangen.“
Fünf Wochen
lag Wolfgang im Koma. Das Aufwachen war ernüchternd. „Die Ärzte
diagnostizierten eine rechtsseitige Körperlähmung. Ich musste alles neu lernen,
meinen Job musste ich aufgeben, auch den Sport konnte ich nicht mehr ausüben.
Auch Auto fahren konnte ich nichts mehr. Das fiel mir besonders schwer, da auch
meine sozialen Kontakte darunter litten.“ Doch Wolfgang gab nicht auf. Er
trainierte seine Beweglichkeit und sein Sprachvermögen. Langsam, Schritt für
Schritt, kam er zurück ins Leben.
Mittlerweile
kann er wieder leichten Sport betreiben. „So wie zuvor wird es aber nicht mehr.
Eigentlich ist der Sport jetzt kein richtiger Sport im Vergleich zu dem, den
ich vorher ausgeübt habe. Es ist aber trotzdem wichtig für meinen Kreislauf,
mich regelmäßig zu bewegen, und ich bin froh, wieder nach draußen zu können.“
Mit seinem extra angefertigten Fahrrad fährt er oft die Strecke, auf der er
damals als aktiver Rollstuhlrugby-Spieler regelmäßig trainierte: „Jeden Berg
schaffe ich zwar nicht mehr, aber dafür habe ich einen Akku dabei, der anspringt,
wenn ich außer Puste bin.“ Zu Hause sitzt Wolfgang täglich eine halbe Stunde
auf seinem Hometrainer. „Meine Motivation ist ganz einfach: entweder ich bleibe
stehen oder es geht weiter. Und es muss einfach weiter gehen.“
Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
Juni 2016
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